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Treptow

Eberz, Isny am 09.02.2019

Idyllische Schrebergärten, ein verwaister Freizeitpark und das imposante sowjetische Ehrenmal: Wer nicht gerade in Treptow-Köpenick aufgewachsen ist, wird mit dem Berliner Stadtteil nicht viel mehr verbinden können. Doch drei Musiker sind dabei, diese Liste zu ergänzen. Deutschsprachiger Indie-Rock unter rauer Oberfläche, mit Sehnsucht im Kern, vorgetragen von drei schlagfertigen Kindsköpfen – dafür steht die Band Treptow. Im gleichnamigen Bezirk haben Philipp (Gesang, Gitarre, Mundharmonika), Schuwe (Bass)und Lukas (Schlagzeug) ihr musikalisches Zuhause auf der Spree gefunden. Genauer gesagt auf einem wie aus der Zeit gefallenen, zum Tonstudio umfunktionierten Passagierschiff. In der Kaiserzeit erbaut, im 2. Weltkrieg gesunken und wieder geborgen, dient es ihnen heutzutage als Rückzugsort, an dem sie nicht nur ihren Hang zu handgefertigter Gitarrenmusik entdeckten, sondern auch ein paar essentielle Schaffensregeln für die Band aufstellten: Weniger ist mehr. Reduktion statt Überfluss. Und die Leitformel lautet: „Besser selbst als gar nicht“. Unter diesem Titel veröffentlichen Treptow am 15. September 2017 ihr selbst produziertes Debütalbum. Darauf versammeln sich rumpelnde Drums, torkelnde Bassläufe, räudige Gitarren und singende Mundharmonikas –zusammengehalten von Philipps mal federleichter, mal schwer bebender Reibeisenstimme. Country-Rhythmen treffen auf Chanson, Singer/Songwriter-Intimität auf Blues-Rock. Im Trendschmelztiegel der Hauptstadt grenzen sich Treptow spielerisch von #Modeerscheinungen ab. Sogeht Popmusik mit Patina. „Es war unser Ziel, eine Platte aufzunehmen, die wir in zwei oder drei Jahren immer noch hören wollen“, erklärt Philipp, der die Songs schreibt. Er spricht vom Minimalismus des frühen Bob Dylan, Johnny Cash und anderer Ikonen, die die Schönheit im Simplen fanden: „Die Besinnung auf’s Wesentliche hat mich schon immer fasziniert.”Erlebt man das Trio persönlich, ist von der Wehmut besagter Künstler nichts zu spüren. Wer mit Philipp, Lukas und Schuwe an einem Tisch sitzt, kommt um ihren spitzen Humor nicht herum. Dasselbe gilt auf ihren Konzerten: „Vor der Show sagen wir uns: Lasst uns die Energie aus dem Proberaum mit auf die Bühne nehmen. Wenn wir eine gute Zeit haben, begeistern wir die Leute am meisten.“Schließlich sind Treptow die Konsequenz einer langen Freundschaft. Kurz hingegen war die Vorbereitungszeit, bevor sie Hals über Kopf als Vorgruppe im Tourbus der Rockband Haudegen landeten. Es folgten Support-Shows für Jesper Munk und Nena, viel harte Arbeit und die gemeinsame Erkenntnis: „Das fühlt sich alles so gut an, dass es fahrlässig wäre, es nicht auf einem Album zu verewigen.” Die zehn Stücke klingen ohnehin so unumstößlich, als wären sie schon immer da gewesen. Man darf sie als Resümee dessen begreifen, was bisher geschah.Als Erfüllung eines Jugendtraums, als Lobgesang auf das Hier und Jetzt, sowie als Wegstein für all das, was noch kommen wird. Kompromisslos eingespielt –wo es sein musste, auch mit Lungenentzündung: Hauptsache machen. Denn die Devise „Besser selbst als gar nicht” kündet nicht ohne Grund von der Unabhängigkeit, unter der die Platte auf dem Studioschiff entstand.Der Albumtitel lässt sich aber auch als Kommentar zur Ehrlichkeit lesen, die der Musik innewohnt –speziell den Texten. Mal schaffen Treptow Rückblenden, mal Visionen. Was alle Stücke vereint, ist ein gewisser Hauch von Verwegenheit. In „Licht der Stadt“ tauchen sie ins nächtliche Berlin ein, ohne der altbekannten Großstadt-Depression zu erliegen. Das zärtliche Kompliment „In meinen Augen bist du schön“ gelingt ihnen genauso charmant wie die (Nicht-)Liebeserklärung in „Oh Evelyn“. „Im Grunde habe ich zu jedem Lied eine konkrete Person im Kopf“, erzählt Philipp. Mit diesem Wissen fällt es leicht, die intensive Hingabe zu verstehen, die auf „Besser selbst als gar nicht“ aus jedem Takt, jeder Textzeile, jedem Anschlag spricht.

www.treptow-musik.com

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